Nach knapp fünf Jahren Projektlaufzeit: Bilanz des Förderprojekts "Kompetenzzentrum Digitales Handwerk" an der HWK für Oberfranken"Eines der nachhaltigsten und fruchtbarsten Projekte"
Bayreuth/Oberfranken. Im März 2016 stand es fest: Die Handwerkskammer für Oberfranken wird mit einem Schaufenster Teil des neuen, bundesweiten Projekts „Kompetenzzentrum Digitales Handwerk“ (KDH). Das Ziel des Fördervorhabens, das in die Initiative Mittelstand 4.0 integriert wurde, ist die digitale Transformation des Handwerks zu fördern und zu beschleunigen. Der Bedarf war gegeben: In einer ersten auf Oberfranken heruntergebrochen Digitalstudie hatten noch Anfang 2017 mehr als 70 Prozent der befragten Betriebe angegeben, im Vorjahr keinerlei Digitalisierungsmaßnahmen durchgeführt zu haben.
Ende 2020 enden die anvisierten fünf Jahre Projektlaufzeit. Ein Anlass, um mit der Projektleiterin des KDH an der HWK für Oberfranken, Dipl.-Ing. Johanna Erlbacher, Bilanz zu ziehen.
Frau Erlbacher, wenn Sie heute auf die vergangenen knapp fünf Jahre KDH-Standort an der HWK für Oberfranken zurückblicken: Was ist die augenscheinlichste Entwicklung, was hat sich in dieser Zeit am meisten verändert?
Das Thema Digitalisierung ist in den vergangenen Jahren tatsächlich bei jedem Betrieb und ich würde fast sagen, bei jedem Handwerker und jeder Handwerkerin angekommen. Das bedeutet zwar nicht, dass auch in allen Unternehmen Maßnahmen zur digitalen Transformation umgesetzt wurden – beschäftigt aber hat man sich damit. Vor dem Projekt „Kompetenzzentrum Digitales Handwerk“ wurde die Digitalisierung eher nur als Thema für bestimmte Branchen gesehen, etwa den Kfz-Bereich oder die Elektronik. Dass aber Bäckereien ebenso digitalisiert werden können wie Malerbetriebe, in Brauereien gleichermaßen Potenzial vorhanden ist wie in Schreinereien – das hatte sich noch nicht durchgesetzt.
Für das südlichste Schaufenster des KDH wurde die HWK für Oberfranken ausgewählt. Wie kam es, dass dieses Leuchtturmprojekt für den ganzen südlichen Raum in Bayreuth angesiedelt wurde?
Wir hatten bereits sehr erfolgreich ein Digitalisierungsprojekt für das Kfz-Handwerk umgesetzt (Kfz-Service-Engineering 2020) und dabei viel Know-how und Erfahrungswerte für Projekte mit unterschiedlichsten Partnern gesammelt. Das gab für uns den Ausschlag, uns mit einer Skizze zu bewerben. Und das war wohl auch ein Faktor, weshalb wir den Zuschlag bekommen haben.
Welche Ziele haben Sie sich als verantwortliche Projektleiterin für das Kompetenzzentrum Digitales Handwerk an der HWK für Oberfranken gestellt?
Wir wollten mit unserem Schaufenster Fertigung und Automatisierungstechnologien für jedes Gewerk, das bei uns gelehrt wird, die Möglichkeiten der Digitalisierung aufzeigen und auch nachvollzieh-bar, erlebbar machen. Das bedeutet konkret: Es war uns sehr wichtig, exemplarische Beispiele zu erarbeiten, also Fälle, die anderen Handwerkerinnen und Handwerkern als Vorlage dienen konnten. Und das natürlich absolut praxisnah.
Haben Sie dieses Ziel erreicht? Wie fällt Ihre Bilanz nach den zwei Förderperioden aus?
Unsere Bilanz ist über die nackten Zahlen hinaus mehr als positiv. Wir haben tatsächlich für jedes Gewerk mögliche Digitalisierungsmaßnahmen aufgezeigt, wir haben für jedes Gewerk Informationsveranstaltungen angeboten, Schulungen entwickelt, Demonstrationen durchgeführt, Qualifizierungen erarbeitet, Umsetzungsprojekte in Betrieben begleitet und dokumentiert, Betriebe beraten …
Außerdem war ein weiteres wichtiges Anliegen, einen möglichst breiten Transfer zu leisten. Dazu haben wir die sogenannten Multiplikatoren angesprochen, informiert und geschult, damit diese wiederum in die Breite wirken können. Ein Projekt mit bundesweit fünf Schaufenstern kann ja nicht alleine alle Betriebe in ganz Deutschland erreichen. Dazu haben wir das Netzwerk der Handwerksorganisationen genutzt.
Wie kann man sich das Zusammenspiel von fünf über Deutschland verstreuten Schaufenstern in einem bundesweiten Projekt vorstellen? Wie kann beispielsweise ein Betrieb aus der Fränkischen Schweiz davon profitieren?
Jedes unserer KDH-Schaufenster hat einen oder zwei thematische Schwerpunkte, bildet darin also absolutes Expertenwissen aus. Das ist wichtig, da die Digitalisierung ja so umfassend ist, dass nicht jedes Schaufenster sich mit jedem Thema befassen kann. Wir haben aber alle vor Ort natürlich die unterschiedlichsten Themen angeboten und dazu jeweils unsere Kolleginnen und Kollegen als Referenten beziehungsweise Schulungsleiter geholt. So hat es das KDH als Ganzes geschafft, ein sehr breites Spektrum abzudecken. Und zusätzlich können wir auf das ganze Netzwerk der Förderinitiative Mittelstand 4.0 mit 26 weiteren, aktiven Kompetenzzenten zurückgreifen.
Sie haben mit Ihrem Team an der HWK für Oberfranken rund 4000 Betriebe erreicht und im bundesweiten Kontext natürlich noch viele mehr. Hat sich in diesem Umgang ein großes Hemmnis herauskristallisiert, das jede Branche und sozusagen fast jeden Betrieb betrifft?
Ein Problem, das beinahe immer auftaucht: Es fehlt häufig der Plan, die Übersicht und auch die grundlegende Idee, was mit einer Digitalisierungsmaßnahme erreicht werden soll. Da wird vielleicht zwischendurch einmal eine einzelne Anschaffung getätigt, die auch sinnvoll ist. Häufig aber wird im normalen Betriebsablauf der Zeitpunkt verpasst, um sich einmal einen Überblick zu verschaffen und alles von Anfang bis Ende durchzudenken. Da ist es manchmal ernüchternd, wenn wir kommen und das, was schon passiert ist, vielleicht erst einmal in Frage stellen.
Außerdem sind einige Faktoren ganz klar schwierig: Die seit Langem anhaltende, gute Auftragslage führt zu einem steten Mangel an Zeit. Und manchmal fehlen auch Kenntnisse in der IT.
Jetzt geht mit 2020 der zweite Projektzeitraum zu Ende. Wird dann die digitale Transformation des Handwerks nicht mehr angeschoben und unterstützt?
Das Projekt ist noch nicht ganz zu Ende. Wir haben noch eine kleine „kostenneutrale Verlängerung“ bis Mitte 2021 bekommen, da durch Corona natürlich weit weniger Veranstaltungen stattfinden konnten. Bis dahin läuft das KDH also im bisherigen Umfang und im bisherigen Konstrukt weiter. Und natürlich hätten wir auch für die Zeit danach noch gute Ideen. Entsprechende Skizzen für eine neue Förderphase sind eingereicht, schauen wir einfach mal, ob wir damit überzeugen können.
Was fehlt denn Ihrer Meinung nach noch, um das Projekt KDH abzurunden, um eine durchwegs positive Bilanz zu ziehen?
Zuerst einmal können wir ganz klar feststellen: Das Förderprojekt Kompetenzzentrum Digitales Handwerk ist eines der fruchtbarsten und nachhaltigsten Projekte, das ich kenne. Wir haben in den vergangenen knapp fünf Jahren so viel Know-how aufgebaut und auch akribisch dokumentiert, wir haben Infrastruktur etabliert – das bleibt alles erhalten. Das ist weit mehr als viele Projekte von sich behaupten können.
Was noch besser werden kann und muss, ist der tiefere und breitere Transfer in die gesamte Handwerkslandschaft.
Mein persönliches Ziel und mein Traum wäre es, ein bundesweites Expertennetzwerk zu etablieren, das untereinander intensiven Kontakt pflegt. Klassisch aus dem Handwerk für das Handwerk, so dass jeder einfach weiß: Bei Fragen zum Thema X, kann ich Experte Y anrufen.
Bayreuth/Oberfranken, im Dezember 2020
Ansprechpartner/innen
für das Schaufenster Bayreuth des KDH:
Abteilungsleiterin
Tel. 0921 910-281
Mobil 0151 54753392
Fax 0921 910-45281
für die Medien:
Abteilungsleiterin
Tel. 0921 910-166
Fax 0921 910-45166
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Weitere Informationen
Das Kompetenzzentrum Digitales Handwerk (KDH) unterstützt den handwerklichen Mittelstand bei der Erschließung technischer und wirtschaftlicher Potenziale, die sich aus der digitalen Transformation für das Handwerk ergeben. Zum Abbau von Informationsdefiziten stellt das KDH den Entscheidungsträgern und Fachexperten des Handwerks praxisnahe Informations-, Qualifikations- und Unterstützungsangebote zur Verfügung, die in vier sogenannten Schaufenstern entwickelt und illustriert werden.
Das Kompetenzzentrum Digitales Handwerk ist Teil der Förderinitiative „Mittelstand 4.0 – Digitale Produktions- und Arbeitsprozesse“, die im Rahmen des Förderschwerpunkts „Mittelstand-Digital – Strategien zur digitalen Transformation der Unternehmensprozesse“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert wird. Weitere Informationen finden Sie unter www.mittelstand-digital.de.
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