Josef Wirtz beginnt mit 42 Jahren eine Zimmerer-Lehre - Ausbildungsstart im Handwerk: Corona-Rücksetzer wieder etwas aufgeholtVom "learning by doing" zum Gesellenbrief
Bayreuth. „Im Handwerk zählt nicht, wo man herkommt, sondern wo man hin will“, dieser Slogan aus der Imagekampagne des Deutschen Handwerks gilt mehr denn je, und das unabhängig von Herkunft, Schulbildung oder eben auch dem Alter. Ein gutes Beispiel dafür ist Josef Wirtz, ein gebürtiger Oberbayer. Mit 42 Jahren beginnt er am 1. September seine Handwerkslehre als Zimmerer in der Zimmerei Stock in Prebitz und ist damit der älteste Berufsstarter im oberfränkischen Handwerk. Mit bisher 1655 abgeschlossenen Ausbildungsverträgen startet das Handwerk in Oberfranken in das neue Ausbildungsjahr. Damit liegt man zwar noch 12,76% hinter den Zahlen des Vorjahres, hat aber den durch Corona bedingten Rücksetzer zur Mitte des Jahres etwas aufholen können.
Ein unbeschriebenes Blatt in Sachen handwerkliche Arbeit ist Josef Wirtz freilich nicht. Schon als Kind nahm ihn sein Vater, der Baustatiker war, auf viele Baustellen mit. Schon damals hat er Feuer für das Handwerk gefangen. Nach einer Lehre zum Bauzeichner und einem angefangenen, aber abgebrochenen, Studium im Bauingenieurwesen arbeitete er schon häufig in Zimmereien mit. Jetzt möchte er mit einem Gesellenbrief, wie er selbst sagt, sein Tätigkeit quasi „legalisieren“.
Schon immer begeistert vom Handwerk
„Mich zog es immer mehr weg vom Schreibtisch, ran an eine handwerkliche Tätigkeit“, schildert der gebürtige Fürstenfeldbrucker seinen Lebensweg. Vor allem das Arbeiten mit Holz hat ihn schon immer besonders gefallen. Und so verdiente er sein Geld bei unterschiedlichen Zimmerei-Betrieben, die letzten zwölf Jahre in Österreich. „Diese handwerkliche Tätigkeit hat mich schon immer begeistert, weil man am Abend mit Stolz auf das blicken kann, was man geschafft hat“, gesteht der 42-jährige. Was ihm in dieser Zeit fehlte? Der offizielle Nachweis seiner Fähigkeiten. Den will er jetzt mit dem angestrebten Gesellenbrief als Zimmerer nachholen. „Meine Kenntnisse habe ich mir bisher im ‚learning by doing‘ erarbeitet, nun möchte ich mir die nötigen fachlichen und praktischen Fähigkeiten im Rahmen der Lehre aneignen“, schildert Josef Wirtz seine Ziele. Sich selbst bezeichnet er weder als Ein- noch als Aussteiger: „Ich bin vielmehr ein Praktiker mit theoretischem Hintergrund“.
Und wie soll es für ihn weitergehen? „Jetzt sehe ich erstmal, wie leicht mir das Lernen noch fällt. Wenn es mit dem Gesellenbrief klappt, könnte ich mir schon vorstellen, dass ich danach auch noch meinen Meister mache“, blickt Wirtz vorsichtig in die Zukunft. Jetzt freut er sich erst einmal auf die Ausbildung, die für ihn am 1. September mit dem ersten Unterricht in den Lehrwerkstätten der Handwerkskammer für Oberfranken beginnt.
In seinem zukünftigen Ausbildungsbetrieb, der Zimmerei Stock GmbH, wird er jedenfalls mit offenen Armen empfangen. „Wir haben sowieso einen Auszubildenden gesucht. Da habe ich mich über die Bewerbung von Josef Wirtz natürlich gefreut, auch wenn sein bisheriges Arbeitsleben etwas ungewöhnlich ist“, gesteht Betriebsinhaber Christian Stock. „Viele wählen in diesem Alter den genau umgekehrten Weg und schulen vom Zimmerer zum Bauzeichner um“.
Eckdaten zum Start des Ausbildungsjahres im oberfränkischen Handwerk
Am 1. September startet das Handwerk in ein neues Ausbildungsjahr und damit werden viele Jugendliche den Grundstein für eine erfolgreiche Karriere im Handwerk legen. Zum Stichtag 28. August hat die Handwerkskammer für Oberfranken 1655 Ausbildungsverträge registriert. Das ist im Vergleich zum August des Vorjahres ein Minus von 12,76 %. Im Juni 2020 lag man noch 17 % hinter dem Vorjahreswert zurück.
„Wir sind aber schon froh darüber, dass es nicht noch schlimmer gekommen ist“, so HWK-Geschäftsführer Dr. Bernd Sauer, „denn Corona hat auch in den Handwerksbetrieben einiges durcheinander gebracht“. Durch den Wegfall von Ausbildungsmessen, direkten Kontakten in den Schulen und persönlichen Gesprächen mit den HWK-Ausbildungsberatern habe sich das Matching von Betrieben und Auszubildenden enorm erschwert und zeitlich nach hinten verschoben.
„Dennoch sind wir zuversichtlich, dass wir bis zum Ende des Jahres noch etwas aufholen können“, so Sauer weiter. „Die Botschaft für Jugendliche und ihre Eltern lautet: Das Handwerk bildet weiter aus! Auch in diesem Krisenjahr hat sich gezeigt, dass das Handwerk Ausbildungsplätze erhält und neue schafft.“ Denn: Der Bedarf an qualifizierten Fachkräften ist im Handwerk nach wie vor sehr hoch, vor allem in den technisch orientierten Berufen und in den Lebensmittelhandwerken. Dies bedeutet aber auch gleichzeitig, dass Jugendliche, die sich für eine Ausbildung im Handwerk interessieren, beste Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz mit sehr guten Entwicklungs- und Aufstiegschancen haben.
Einstieg in Ausbildung immer noch möglich
Wer noch unschlüssig ist, welchen Beruf er ergreifen möchte, sollte einen Blick in die Lehrstellenbörse auf der Website der HWK für Oberfranken werfen (www.hwk-oberfranken.de/lehrstellenbörse). Sie gibt einen schnellen Überblick, wo in Oberfranken noch Ausbildungsstellen unbesetzt sind und welche Berufe dabei zur Auswahl stehen. Hier sind aktuell 466 offene Lehrstellen enthalten. Gerne unterstützen auch die Ausbildungsberater der Handwerkskammer die Suche nach dem Traumjob im Handwerk.
Und auch wenn der 1. September als offizieller Start für das Ausbildungsjahr gilt, haben Jugendliche auch darüber hinaus noch die Chance auf einen Ausbildungsplatz. Ein Ausbildungsverhältnis kann im Prinzip an jedem Tag des Jahres begonnen werden. Auch wenn man zum Beispiel erst im November seine Lehrstelle gefunden hat, bedeutet dies nicht gleichzeitig, dass man deswegen ein ganzes Jahr verliert.
Bayreuth, 28. August 2020
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