
Politische InteressensvertretungLeere Fördertöpfe für Investitionen in handwerkliche Bildungsstätten?
Bayreuth/Oberfranken. Die Handwerkskammer für Oberfranken hat an Ministerpräsident Dr. Markus Söder, den bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und die oberfränkischen Bundestagsabgeordneten aller Parteien einen Offenen Brief gerichtet. Darin fordert die HWK die politischen Vertreterinnen und Vertreter um aktive Unterstützung auf. Denn: Obwohl die Bundesregierung sich durch das Sondervermögen für Infrastruktur finanziellen Spielraum für Investitionen gegeben hat, sind nach Informationen der Handwerkskammer für Oberfranken die bisher im Entwurf für den Bundeshaushalt vorgesehenen Fördermittel für Investitionen in überbetriebliche Bildungsstätten (ÜBS) in Höhe von 135 Millionen Euro bundesweit bereits vergeben. "Wir sind maßlos enttäuscht und auch verärgert", bekennt der Präsident der HWK für Oberfranken, Matthias Graßmann. "Zum einen darüber, dass im Bundeshaushalt nach wie vor so unverhältnismäßig wenig Fördermittel geplant werden, trotz Sondervermögens. Das hat nichts mit einer Gleichwertigkeit der Bildungswege zu tun." Zum anderen, dass trotz der Vorgabe von Bundesfinanzminister Klingbeil, fertige Projekte zu priorisieren, kein Umdenken hinsichtlich der Investitionen in die handwerkliche Bildungsinfrastruktur zu erkennen ist. "Der Förderantrag für den Neubau unseres Bildungszentrums Oberfranken-West (Bamberg) liegt den Fördergebern seit Ende März 2025 vor. Wir könnten sofort weitermachen, wenn die Zusage zur Förderung vorliegt. Dann könnten die Bagger in Bamberg zeitnah rollen."
Jetzt hofft die Handwerkskammer auf die Unterstützung des Freistaats und der oberfränkischen Mandatsträger im Bundestag, die auf die Haushaltsplanung einwirken sollen. Graßmann: "Wir brauchen dringend ein Umdenken, eine Umplanung und deutlich mehr Geld für die Investitionen in handwerkliche Bildungsstätten."
Der Offene Brief im Wortlaut:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Bundestagsabgeordnete,
seit vergangener Woche liegt Ihnen der Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2025 vor. In diesem hat sich an den für das Handwerk wesentlichen Positionen – hier hinsichtlich der Investitionsförderung von überbetrieblichen Bildungsstätten – nichts verändert. Eine gute Nachricht? Mitnichten!
Denn Stand heute, 3. Juli, sind die geplanten Fördermittel für 2025 bereits vergeben. Stand heute steht fest, dass es 2025 keine weitere Förderzusage geben kann.
Dieser Zustand ist ohnehin nicht akzeptabel. Vor dem Hintergrund eines Sondervermögens für Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro und der Aufforderung von Finanzminister Klingbeil, fertige Projekte schnellstmöglich zu bewilligen und „auf die Straße zu bringen“, ist dies zudem ein Umstand, der im Handwerk und für das Handwerk nicht mehr vermittelbar ist.
Daher bitten wir Sie heute um Ihren aktiven Einsatz und Ihre aktive Mithilfe. Unterstützen Sie uns und setzen Sie bitte alle Hebel in Bewegung, damit bei einem Haushalt mit einem Volumen von insgesamt 503 Milliarden Euro die handwerkliche Bildung nicht auf der Strecke bleibt.
Um was geht es? Wir haben Ihnen die wesentlichen Fakten bereits mehrfach unterbreitet. Insgesamt planen die Bundesministerien für Wirtschaft und Energie (BMWE) und für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) zusammen 135 Millionen Euro ein, um damit Investitionen in Überbetriebliche Bildungsstätten zu fördern. Diesen 135 Millionen Euro stehen Projekte mit einem Umfang von rund 3,6 Milliarden Euro gegenüber (Quelle: Zentralverband des Deutschen Handwerks). Unter anderen der Neubau unseres Bildungszentrums Oberfranken-West (Bamberg), für den wir am 27. März 2025 den Förderantrag eingereicht haben. Nicht alle der weiteren Projekte stehen bereits zur Förderung an. Dennoch ist überdeutlich, wie groß das Missverhältnis zwischen (geplanten) Fördermitteln und Investitionsbedarf ist.
Seit Jahren arbeiten wir als Handwerk daran, dass der Bund den Umfang dieser Fördermittel deutlich erhöht. Denn bleibt das vorhandene Missverhältnis bestehen, würde dies bedeuten, dass es – bei einem maximalen Fördersatz von 45 Prozent durch den Bund – mehr als 10 Jahre dauern kann, bis eine Förderzusage erteilt wird!
Hier trifft Wirklichkeit auf politische Planung.
Inzwischen haben sich die Bedingungen entscheidend ins Positive verändert. Der Bund hat sich durch das Sondervermögen für Infrastruktur Spielraum für Investitionen gegeben.
Der Bund plant Rekordinvestitionen. Als Handwerk erwarten wir, dass diese Rekordinvestitionen auch für Investitionen in die berufliche Bildungsinfrastruktur genutzt werden und mehr als die aktuell rund 0,027 % des Bundeshaushalts dafür aufgewendet werden.
Dafür gibt es schlagkräftige Argumente:
- Die weitere Stärkung der Gleichwertigkeit der beruflichen mit der akademischen Bildung ist ebenfalls erklärtes Ziel der Bundesregierung. Zu dieser Gleichwertigkeit gehört in der Folge dann auch, dass beide Bildungswege gleich gefördert werden.
- Mit dem schuldenfinanzierten Sondervermögen sollen die Voraussetzung für Wachstum und Fortschritt geschaffen werden. Beruflich gut qualifizierte Fachkräfte sind ein wesentlicher Schlüssel dafür – und im Umkehrschluss ein enger Flaschenhals.
- Fertig geplante Projekte sollen Vorrang erhalten. Unser Neubauvorhaben für Bamberg liegt zur Förderung vor. Bekommen wir die Zusage, können in Bamberg zeitnah „die Bagger rollen (Klingbeil)“.
Zu guter Letzt, auch das möchten wir nicht verhehlen, verspielt die Bundesregierung mit diesem Vorgehen erneut den Vorschuss an Vertrauen und Zuversicht, den das oberfränkische Handwerk geleistet hat. Und das nach der Entscheidung, die Stromsteuer nur für das produzierende Gewerbe und die Land- und Forstwirtschaft zu reduzieren – und damit für große Teile des Handwerks nicht.
Sehr geehrte Abgeordnete,
der Haushaltsentwurf der Regierung wird bereits kommende Woche in erster Lesung im Bundestag debattiert, nach der Sommerpause steht die entscheidende Haushaltsbereinigungssitzung an.
Bitte nutzen Sie diese Zeit bis dahin und wirken Sie auf die Haushaltspolitikerinnen und -politiker Ihrer Fraktionen ein, auf die Ministerinnen und Minister Ihrer Parteien und auf Ihre Kolleginnen und Kollegen im Bundestag.
Wir brauchen dringend eine Abkehr von den Planungen und eine neue Ausrichtung für das Handwerk. Den Worten der Wertschätzung für das Handwerk und dem wiederholten politischen Bekenntnis zur dualen Ausbildung müssen endlich auf allen Ebenen greifbare Taten folgen. Der Schaden für die Glaubwürdigkeit der Politik ist andernfalls kaum mehr aufzuhalten."
Freundliche Grüße
Matthias Graßmann
Präsident
Reinhard Bauer
Hauptgeschäftsführer
Bayreuth, 3. Juli 2025