Wolfgang Schubert-Raab, Präsident der bayerischen Baugewerbeverbände (BBV/LBB)
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Wolfgang Schubert-Raab, Präsident der bayerischen Baugewerbeverbände (BBV/LBB)

InterviewZinsen treffen Baubranche dreifach

Bayreuth/Oberfranken. Nach Jahren des Booms steht das Baugewerbe vor großen Herausforderungen. Aufträge brechen weg, Handwerksbetriebe haben mit großen Schwankungen bei Energie- und Baustoffpreisen zu kämpfen - hohe Zinsen bremsen die Nachfrage aus. Die Handwerkskammer für Oberfranken sprach mit Wolfgang Schubert-Raab, Präsident der Bayerischen Baugewerbeverbände (BBV/LBB) über die Ursachen und mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation.

Die Lage der Baubranche verschlechtert sich. 2022 bewerteten 83 Prozent der Betriebe die Lage als gut oder befriedigend, jetzt sind es nur noch 60 Prozent. Woher kommt der Rückgang?

Schubert-Raab: Wir sind mit einer toxischen Gemengelage konfrontiert. Die Zinspolitik trifft den Wohnungsbau dreifach. Durch negative Zinsen wurden viele Projekte vorgezogen. Dann ist es bei den aktuellen Zinsen scheinbar lukrativer geworden zu sparen, statt zu bauen. Zusätzlich wird eine Finanzierung immer teurer, da die Inflation nicht berücksichtigt wird.

Gibt es weitere Ursachen?

Schubert-Raab: Parallel ist die Förderung für das EH 55 Gebäude weggefallen. Das Programm zur Förderung der NH 40-Gebäude ist mit zu wenig Geld ausgestattet. Die verfügbare Milliarde ist bereits ausgeschöpft, der Topf ist leer.

Wie ist die Lage im öffentlichen Bereich?

Schubert-Raab: Hier schlägt die Inflation durch, bei fixem Budget und gestiegenen Baukosten können nur etwa 80 Prozent der Bauvorhaben realisiert werden. Was wegfällt, fehlt uns als Auftrag. Gleichzeitig werden die kommunalen Haushalte mit zusätzlichen sozialen Aufgaben belastet.

Wie sieht der Ausblick aus?

Schubert-Raab: Im März gab es 30 Prozent weniger Baugenehmigungen als ein Jahr zuvor. Selbst wenn alle realisiert werden, droht ein weiterer Auftragsrückgang. Das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel von 400.000 Wohneinheiten halte ich in absehbarer Zeit für unerreichbar. Wir lagen 2022 bei 295.300 Wohnungen und werden bei rückläufigen Genehmigungen 2023 bei 250.000 liegen.

Warum blicken die Ausbauhandwerke positiver in die Zukunft?

Schubert-Raab: Das liegt an den Bestandsgebäuden, die energetisch saniert werden müssen. Viele Aufträge werden derzeit für die Sanierung von Fassaden, Dächern und Fenster vergeben. Zuletzt gab es sehr viele Aufträge im Heizungsbau, leider für Öl- und Gasheizungen.

Die Baubranche kommt aus einem Boom. Haben die Betriebe Rücklagen, um die konjunkturelle Delle am Bau zu überbrücken?

Schubert-Raab: Wir haben im Bau eine Gewinnspanne von 3 bis 8 Prozent. Davon gehen Steuern und Abgaben ab. Gleichzeitig stiegen Kosten für Baustoffe und Löhne, da bleibt keine hohe Marge für die Bildung von Rücklagen. Unsere Betriebe investieren direkt wieder in den Betrieb, gerade bei Betriebsübergaben. Hier muss oft eine Altersvorsorge für den Senior und Auszahlungen für Geschwister finanziert, und zusätzlich ein Investitionsstau abgebaut werden. Da bleibt kaum Kapital für die Überbrückung einer Krise.

Was kann die Politik auf Bundes- / Landes- und kommunaler Ebene tun, um schnell zu helfen?

Schubert-Raab: Es fehlen 2,2 Millionen barrierefreie und altersgerechte Wohnungen. Ältere Menschen sind von „grauer Wohnungsnot“ betroffen. Das heißt: sie leben in großen Wohnungen, ein Umzug wäre aber teurer als der Altmietvertrag. Leben sie in einer Eigentumsimmobilie, so ist der Wert wegen Sanierungsvorgaben gesunken, ein Kredit im Alter ist außer Reichweite. Wir müssen weg von der Förderung für einzelne Bevölkerungsgruppen. Hier muss die Politik an alle denken.
Da die Senioren in ihren Bestandsimmobilien nicht oder nur schwer betreut werden können, wird der Pflegenotstand immer größer.

Was schlagen Sie konkret vor?

Schubert-Raab: Der Bund muss das NH 40 Haus temporär aus der Förderung nehmen und wieder das EH 55 Gebäude fördern - das war ein absolutes Erfolgsmodell. Außerdem brauchen wir auch eine Zinsstütze der KfW für Erst- und Zweiterwerber von Immobilien, um einen Umzug der Eigentümer zu ermöglichen.

Bayern muss die Kommunen fördern, sodass diese ihre Infrastruktur sanieren können. Kanäle, Wasserleitungen, Kindergärten, Schulen, Brücken – Wir reden von Versorgungsleitungen, die bis zu hundert Jahre alt sind. Das müssen die Kommunen angehen, auch in den sozialen Wohnungsbau muss investiert werden. Hier gibt es sehr gute Förderungen und einen riesigen Bedarf.

Eine Entbürokratisierung würde helfen, wir hoffen auf den Gebäudetyp „E“. Er ermöglicht den Bau von günstigeren Standardhäusern statt nur in der „Mercedes S-Klasse“ zu denken.

Was raten Sie ihren Mitgliedsunternehmen in dieser Situation?

Schubert-Raab: Denkt an eure Fachkräfte! Seid flexibel, nehmt alle Aufträge an, die helfen, eure Leute beschäftigt zu halten! Bildet aus, es wird auch wieder Zeiten mit höherer Nachfrage geben. Dann braucht ihr als Betriebe und wir als gesamte Branche wieder unsere gut ausgebildeten Fachkräfte.

Bayreuth/Oberfranken, 24. Mai 2023



 

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Dipl.pol. Daniel Förtsch M.Sc.

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